Hoch oben

Mitten in den Maloti-Bergen liegt der Mohale-Stausee.

Kein Ort in Lesotho liegt weniger als eintausend Meter über dem Meeresspiegel. Trotzdem haben wir in Maseru den Eindruck, im Flachland zu stehen. Die Hauptstadt Lesothos liegt auf einer Hochebene. Einige Sandsteinfelsen ragen wie Kleckerburgen in die Landschaft. Wir schlendern durch die geschäftige Stadt. Hier stehen keine Pferde mehr vor dem Supermarkt, und der Einkauf wird mit teuren Autos, statt mit Eseln durch die Straßen chauffiert. Rund um den Kingsway herrscht Verkehrschaos. Die Mehrzahl der Fahrzeuge sind Taxis. Auf der Suche nach Kundschaft fahren sie langsam und ständig hupend über die Hauptverkehrsader der Stadt. Nimmt ein Kunde Platz, brettern sie zum gewünschten Ziel – Verkehrsregeln spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle.

Wir wollen den Königspalast besuchen. Das Gebäude ist nicht ausgeschildert, so fragen wir uns durch. Weit vor dem Amtssitz des Königs von Lesotho stehen wir vor einem schmiedeeisernen Tor. Die schwer bewaffneten Wachleute freuen sich über den Small Talk mit uns. Selten verirrt sich ein Tourist zum Eingang. Die meisten wissen, dass der König keine Besucher rund um seinen Palast duldet.

Von Maseru fahren wir erneut ins Landesinnere. Schon bald nach der Stadt steigt die Straße steil an. Klaglos zieht unser Nissan seine schwere Last auf 2400 Meter Höhe, um bei der anschließenden Abfahrt die Bremsen glühen zu lassen. Auf dem Weg durch die Maloti-Berge wechseln sich steile Anstiege und ebenso steile Talfahrten ab. Unser Ziel ist der Mohale-Stausee, eines der Wasserprojekte, das Lesotho gemeinsam mit Südafrika realisiert. Hier wird Strom erzeugt, der beiden Ländern zu Gute kommt. Und damit nicht genug: Per Tunnel sind einige Stauseen in Lesotho miteinander verbunden, sodass die Pegelstände der Gewässer ausgeglichen werden können.

Zum Aussichtspunkt auf die Staumauer führt eine recht kurvige Straße.

Während es auf den Passhöhen bei zweieinhalbtausend Metern über dem Meeresspiegel schon mächtig in den Ohren drückte, geht es in Lesotho noch höher. Eine gut ausgebaute Strecke führt in etwa 3000 Meter Höhe über den Kamm des Drakensbergmassivs. Ausgangspunkt ist die zweitgrößte Stadt des Landes, Botha Bothe. Bevor wir die Hochstraße nehmen, wollen wir noch einmal volltanken. Mit großem Schwung biegen wir zur Tankstelle ein und stehen… vor einem Billardtisch. Hier gibt es schon lange keinen Sprit mehr, gibt man uns zu verstehen, daher vertreiben sich die Angestellten die Zeit mit Billardspielen. Der schmuddelige Ort Botha Bothe ist fest in chinesischer Hand: Ob im Supermarkt oder im Klamottenshop, überall sind die asiatischen Ladenbesitzer präsent.

Da der Wetterbericht für das Hochgebirge frostige Temperaturen ansagt, sucht Babsi einen Scarf. Der wärmende Schal wird aus einheimischer Merino Wolle gewebt. Bei den chinesischen Händlern werden wir fündig. Die Kleidungsstücke erweisen sich jedoch beim genauen Hinschauen als Imitate aus Kunstfasern, importiert aus dem Fernen Osten. Dankend winken wir ab. Am Straßenrand weist ein Schild zur Wool & Mohair Association. Dort wird es einheimische Produkte geben, denken wir. Einige Kilometer quälen wir uns über die ausgewaschene Piste, bis wir vor der Blechhalle des vermeintlichen Werksverkaufs stehen. Gerade wird dort eine Herde Schafe hineingetrieben. Wir treffen Lace und fragen ihn, ob man hier Kleidungsstücke aus Wolle kaufen kann. Er lacht und nimmt Babsi an die Hand. Gemeinsam gehen sie in die Werkhalle. Dort werden die Schafe von einigen Männern zwischen den Knien eingeklemmt und mit einer riesigen Schere geschoren. Nachdem die Schur gesichtet und gewogen ist, bekommt der Hirte einige Münzen in die Hand gedrückt. Die Wolle wird je nach Qualität in eine der Boxen gekehrt. Später holt ein großer LKW den Rohstoff ab. Merino-Schals gibt es hier keine zu kaufen.

Auf 3200 Meter Höhe liegt Lesothos einziges Skigebiet. Ein Bügellift befördert die Skifahrer nach oben. Dort angelangt, kann der Sportler eine aus sechs Pisten für die Abfahrt wählen. Die längste führt über einen Kilometer ins Tal und überwindet immerhin knapp 200 Höhenmeter. Heute sind die Wiesen jedoch noch grün und die Hütten warten auf Kundschaft. Klangvolle Namen der Chalets, wie „St. Moritz“ oder „Chamonix“ lassen den Wunsch nach Großem erahnen.

Ob des Schneefalls schauen die Tiere etwas verstört drein

Schließlich klappt es doch noch mit dem Schnee. Wir übernachten am Sanipass auf knapp 3000 Meter Höhe. Der Körper quittiert die schnelle Bergfahrt mit Kopfschmerzen. In der Nacht beginnt es zu regnen, die Tropfen prasseln auf unser WoMo-Dach. Später hört das Prasseln auf – Schneeflocken erzeugen keine Geräusche. Als wir aus dem Fenster schauen, ist die Landschaft weiß. Die Temperatur ist auf fünf Grad unter den Gefrierpunkt gefallen. Zum ersten Mal werfen wir unsere Heizung an. Die Passhöhe liegt in dichten Wolken, sodass wir auf die Weiterfahrt verzichten. Am nächsten Morgen lacht uns bei frostigen Temperaturen die Sonne an. Wir nehmen die Passabfahrt auf der südafrikanischen Seite. In engen Kurven führt die steile Schotterpiste talwärts. Für die ersten acht Kilometer brauchen wir gut zwei Stunden. Die Ausblicke sind spektakulär. Viele Autos kommen uns entgegen. Die Südafrikaner sind aufgebrochen, um in den Schnee zu fahren. Dutzende von ihnen stehen staunend an einem kleinen gefrorenen Wasserfall. Auch wir staunen, denn das hatten wir in Afrika so nicht erwartet.

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