Alltag auf der Farm

Dort braut sich etwas zusammen

Wir stehen in einer riesigen Staubwolke. Von den Farmangestellten wurden einige dutzend Rinder aus den umliegenden Gehegen zusammen getrieben. Hoch zu Ross führen die Leute immer wieder neue Tiere herbei. Heute sollen sie gewogen werden. Ein stabil umzäunter, schmaler Gang führt zur Waage. Durch Klappen sind Sektoren im Gang abgeteilt, so können die Tiere nicht zu sehr drängeln. Wir müssen im richtigen Moment die Klappen öffnen. Einzeln betreten die Kühe die Waage. An Hand Ihrer Ohrmarken werden sie identifiziert, das Gewicht wird in eine Liste eingetragen. Die Liste wandert anschließend ins Büro, um die Werte in eine spezielle Software zur Tierhaltung zu übernehmen. Jörg ist begeistert. Nach Verlassen der Waage biegen die Tiere entweder nach links oder nach rechts jeweils in ein Gehege ab. Für die Kühe, die nach rechts laufen müssen, wird es ihr letzter Gang. Sie werden wenig später von einem LKW abgeholt, der sie direkt in den Kuhhimmel fährt.

Dort wo gestern die Kühe zum Wiegen anstanden werden heute Kälber versorgt. Die Tiere sind erst wenige Tage alt und müssen gekennzeichnet werden. Zu Beginn der Aktion ist es nicht leicht, die Jungtiere von ihren Müttern zu trennen. Ungeduldig scharren die Kühe im Sand und schauen, was mit Ihren „Kindern“ geschieht. Als Erstes erhält jedes Kalb eine Tätowierung sowie eine Ohrmarke mit der persönlichen Identifikationsnummer. Später werden den Tieren die Hornansätze weggebrannt und die männlichen Exemplare werden kastriert. Schlussendlich erhalten die Kälber noch eine Dusche mit ungezieferhemmendem Mittel. Sichtlich gezeichnet von den Strapazen dürfen die Jungtiere anschließend zu ihren Müttern zurückkehren, wo sie freudig empfangen werden.

Die Kälber werden in einem ausgedienten Stück Autoreifen gewogen

10000 Hektar Farmland wollen bewirtschaftet sein. Drei Mal wöchentlich findet eine Farmrundfahrt statt, bei der vor allem die Zäune und Wasserstellen kontrolliert werden. In den Zäunen finden sich einige Stellen, die eigens für den Wildwechsel eingerichtet wurden. Rinder passen hier normalerweise nicht durch. Trotzdem schaffen es immer wieder einige Tiere, die Zäune zu überwinden. So erhalten wir eines Abends den Anruf über das Funknetz des Farmerverbandes, dass ein Rind außerhalb des Geländes direkt neben der Hauptstraße gesichtet wurde. Wir fahren los, um das Tier zu suchen. Nach etwa acht Kilometern Fahrt werden wir fündig. Friedlich frisst die Kuh das frische Gras direkt an der Hauptstraße. Wir untersuchen den Zaun auf Schäden, finden aber nichts. Offensichtlich ist das Tier mit einem Riesensatz über den Zaun ins frische Grün gesprungen. Nun denkt es allerdings nicht unbedingt daran, auf das Farmgelände zurück zu kehren – dort wächst ja nicht viel. Routiniert demontiert der Farmer den Zaun auf einer Länge von ca. 50 Metern. Unsere Aufgabe ist es nun, das Tier durch den niedergelegten Zaun zurück ins Gehege zu treiben. Als die Kuh das kapiert, stolpert sie panikartig durch die Öffnung. Dabei stürzt sie unsanft, Funken stieben. Auf der anderen Seite wird das Tier fürsorglich von den Artgenossen in Empfang genommen und abgeleckt. So schön kann Tierliebe sein.

Auf der Rückfahrt kontrollieren wir noch einige Wasserbassins. Peinlich achtet der Farmer darauf, dass in jedem Behälter ein dicker Ast schwimmt. Seit in den Wasserstellen immer wieder ertrunkene Affen gefunden wurden, dient das Holz nunmehr als Rettungsinsel für ins Bassin gefallene Tiere.

Zu Hause angekommen, meldet der Farmer über das Funknetz Vollzug in Sachen entlaufener Kuh. Täglich werden auf diese Art und Weise wichtige Informationen unter den Farmern ausgetauscht. So können auch Rinder, die sich von anderen Farmen auf das Gelände verirrt haben, meist wohlbehalten ihren Besitzern wieder übergeben werden.

Der hat Vorfahrt!

Wir bewegen uns auf geschichtsträchtigem Terrain. Unweit vom internationalen Flughafen Windhoek ist im Jahr 1968 auf dem Gelände der Farm eine nagelneue Boeing 707 kurz nach dem Start abgestürzt. Nur 5 der 127 Insassen überlebten das Unglück. Wenige Kilometer von der Startbahn entfernt finden sich noch heute kleine Metallteile, Kabelbäume und andere Rester der Unglücksmaschine. Rinder ziehen an uns vorbei und suchen nach Fressbarem. Wir lassen den Blick schweifen. Am Flughafen steigt Rauch auf, sicher eine Routineübung der Feuerwehr, denken wir. Später erfahren wir, dass die Rauchsäule von einem erneuten Flugzeugabsturz stammte. Eine Cessna ist bei einem Übungsflug kurz neben der Landebahn zerschellt. Wieder sind drei Menschen gestorben. Die Rinder kamen mit dem Schrecken davon.

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