Stürmische Zeiten

Der stürmische Wind treibt oft die Wolken an die Berghänge des Australischen Gondwana Regenwälder

Im Besucherzentrum von Armidale treffen wir Chris. Er ist hier für die Betreuung der Gäste zuständig und jedes Mal erfreut, wenn sich Deutsche in das Gebirgsstädtchen verirren. Seine Mutter stammt aus Deutschland und sie hat ihm in frühester Jugend ein paar Brocken deutscher Sprache mit auf den Weg gegeben. Die kann er bei seiner Arbeit im Visitor Center gut gebrauchen. Als wir Chris erklären, dass wir in Richtung Brisbane fahren wollen, wirbelt er durch die Räume und kommt mit einem Stapel Prospekte zurück. Sorgfältig nummeriert er die Papiere und gibt zu jedem Zwischenziel eine umfassende Erläuterung. Auf den letzten Zettel schreibt er seine Telefonnummer und meint, wenn wir unterwegs Hilfe brauchen, sollen wir ihn unbedingt anrufen.

Hilfe brauchen wir bald, wobei in dem Fall auch Chris für uns nichts tun kann. Seit einiger Zeit funktioniert unser Kühlschrank im Gasbetrieb nicht mehr richtig. Da wir gerne und oft freistehen, weitet sich das Problem allmählich zu einem echten Hindernis aus. Aller drei Tage versucht Babsi das Brennerfach mit Druckluft zu reinigen. Das hilft zwar, allerdings währt die Freude über kühle Lebensmittel immer nur kurz. In Coffs Harbour sind einmal mehr die Außentemperaturen niedriger als jene im Kühlschrank. Kurzerhand biegen wir am Orteingang zu einem Servicebetrieb für Wohnmobile ab. Der Mann am Empfang meint freundlich aber bestimmt, dass er keine Kühlschränke reparieren könne. Eine ähnliche Auskunft bekommen wir beim zweiten Versuch. Mit unserem Anliegen ernten wir nur kollektives Kopfschütteln. Wir sollen doch mal bei ABCO nachfragen, die sitzen gleich um die Ecke. Ohne große Hoffnung fahren wir auf den Hof der dritten Werkstatt. Natürlich kann sich jemand den Kühlschrank anschauen, sagt Murrae, der Chef. Wir sind baff. Zwanzig Minuten später steht ein Monteur mit Werkzeugkiste vor unserem Wohnmobil uns schafft sich am Gasbrenner des Kühlaggregats. Inzwischen erzählen wir Murrae die Geschichte unserer Reise. Als er erfährt, dass wir aus Leipzig kommen, strahlt er übers ganze Gesicht. Leipzig kennt er, meint der Australier, zumindest die Fußballmannschaft von RB Leipzig. Und schon beginnt Murrae, uns die Geschichte der Leipziger Erstligamannschaft zu erzählen. Eigentlich sei er Fan von Liverpool, aber durch einen aktuellen Spielertransfer hat er sich auch mit RB Leipzig beschäftigt. Wir sind beeindruckt, ebenso wie Murrae von unserer Reise. Nach einer Stunde ist der Brenner gründlich gereinigt. Bescheiden meint der Monteur, dass er nicht genau wisse, ob das die Ursache für den Fehler war. Einige Zeit später wissen wir, sie war es!
Murrae erklärt, dass dieser Service für Weltreisende auf Kosten des Hauses geht. Wir sind ein zweites Mal baff. In dem Moment fällt Jörg ein, dass er noch einen RB-Schal im Kleiderschrank hat. Kurzerhand wechselt der Schal seinen Besitzer. Nun ist Murrae baff, fast weint er vor Freude. Auch wir freuen uns um des Wissens, dass der Schal bei einem australischen RB-Fan in besten Händen ist. Danke ABCO und danke Claudio – wir hoffen, es war in Deinem Sinn.

Zum Dank bekommt Murrae einen RB-Schal.

Wenig später stehen wir im Yuraygir-Nationalpark. Wir wollen das Gebiet mit dem Paddelboot erkunden, allerdings weht ein kräftiger Wind. Unser Wohnmobil wird von heftigen Böen geschüttelt, und seit Stunden summen die Spanngurte auf dem Dach dasselbe Lied. Es ist Herbst in unseren Breiten. Kalte Luftwirbel aus der Antarktis treffen an der mittleren Ostküste immer wieder auf warme Meeresströmungen. In der Folge gibt es heftige Gewitter und eben schwere Stürme.
Am nächsten Morgen lässt der Wind etwas nach, und wir mieten ein Kajak. Allerdings steht die Tour unter keinem guten Stern. Als Jörg den Kahn zu Wasser lässt, rutscht er ab. Das Boot gleitet direkt in die Tidenströmung und driftet mit hoher Geschwindigkeit ab. Nun kann Jörg zeigen, dass er noch immer ein guter Schwimmer ist. Kurz entschlossen stürzt er sich in die Fluten und dem Boot hinterher. Nach einigen kräftigen Schwimmzügen bekommt es das Kajak zu greifen. Wesentlich schwieriger wird der Rücktransport gegen die Strömung, und noch vor Beginn der Tour ist Jörg das erste Mal fix und fertig. Auch auf der Einfahrt in den Nationalpark kämpfen wir gegen die Strömung. Wenigstens schiebt der wiederauflebende Wind von hinten. Je tiefer wir in den Mangrovenwald kommen, desto einfacher wird das Paddeln. Später führt der Wasserlauf durch tiefe Eukalyptuswälder. Wohltuende Ruhe umgibt uns. Nur das gleichmäßige Schlagen der Paddel und das Zwitschern der Vögel ist zu hören. Dutzende von bunten Papageien hüpfen zwischen goldgelben Banksiablüten umher. Nach einigen Kilometern versperren Bäume den weiteren Flusslauf, wir kehren um. Beim Blick auf die Wasseroberfläche trauen wir unseren Augen kaum – einige Blätter schwimmen entgegen unserer Fahrrichtung in den Wald hinein. Erneut paddeln wir gegen die Strömung. Der Wendepunkt unserer Tour lag fast zeitgleich mit dem Wechsel von Ebbe und Flut. Das Ziel schon in Sicht, kommen wir nur noch zentimeterweise vorwärts, der stürmische Ostwind bläst uns direkt ins Gesicht…

Tief im Yuraygir-Nationalpark ist von Sturm nicht mehr viel zu spüren

Am nächsten Morgen haben wir Mühe, die Kaffeetasse zu heben, ein kräftiger Muskelkater erinnert uns an eine wunderschöne Paddeltour.

Nachtrag: Inzwischen haben wir von Murrae Post bekommen. Demnach hat der RB-Schal einen Ehrenplatz an der Wand seines Arbeitszimmers bekommen – direkt neben dem Schal von Liverpool. Schade, dass die das Champions League Finale verloren haben.

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