Abenteuer im Regenwald

Der blaue Streifen am Horizont leuchtete abends in samten Rottönen

An den Bergen des Great Dividing Range halten sich die Regenwolken hartnäckig. So wissen wir an den Ellenborough Falls nicht, welche Tropfen vom Himmel kommen und welche Tropfen vom Wasserfall stammen. Eine Weile schauen wir gebannt, wie sich die Wassermassen über die 160 Meter hohe Felswand hinunterstürzen. Völlig durchnässt kehren wir zum Auto zurück. In der Ferne lockt blauer Himmel. Flink sind die Koordinaten zum nächsten Ziel ins Navi eingegeben und wir nehmen die Strecke durch den Regenwald unter die Räder. An einem Abzweig, wo die bessere Piste gerade ausführt, stutzt Jörg kurz, nimmt aber dann doch den vom Navi vorgeschlagenen Weg. Einige Kilometer weiter weist ein Schild auf den Umstand hin, dass ab dieser Stelle die Piste nicht mehr gepflegt wird. Nun war der Weg durch den Urwald schon bis dahin nicht sonderlich gut, aber schlimmer geht bekanntlich immer. Wenige Augenblicke später stecken wir in einem tiefen Schlammloch. Vorsichtig schaukelt Jörg den Nissan heraus. Kurz darauf ist Babsi dran. Im strömenden Regen beseitigt sie einen dicken Ast und schiebt einige Wacker vom kaum noch sichtbaren Fahrweg. Mit Vierradantrieb und Untersetzung quälen wir uns durch den Wald. Umkehren können wir nicht, dafür ist der Fahrstreifen zu schmal. Es gilt das Prinzip Hoffnung, dass der Weg nach der nächsten Kurve nicht völlig zu Ende ist. Nach einer guten Stunde Bangens quält sich der Nissan eine schlammige Regenrinne hinauf und plötzlich stehen wir auf einer vernünftigen Piste. Hier grinst uns ein Wegweiser an, der zu den Ellenborough Falls zeigt. Es ist nicht das erste Mal, dass uns das Navi narrt und den kürzesten Weg zu einem bestimmten Ziel heraussucht. Die Sache mit dem blauen Himmel und der Sonne hat sich für heute erledigt, denn inzwischen ist es im Regenwald dunkel. Eine kleine Straßenausbuchtung kommt uns gerade recht zum Übernachten. Plötzlich sind wir von Stille umgeben. Langsam fällt die Anspannung der letzten Stunden ab. Was bleibt, ist großer Respekt vor unserem fahrbaren Untersatz und die Hoffnung auf besseres Wetter.
Am nächsten Morgen blinzelt tatsächlich die Sonne durch das dichte Blätterdach. Fröhliches Vogelgezwitscher liegt in der Luft, auch die Tiere scheinen sich über die wärmenden Sonnenstrahlen zu freuen. Noch ehe wir zur kleinen Wanderung an den Tiara Wasserfällen aufbrechen, zieht sich der Himmel jedoch wieder zu. Beim Besuch der Apsley Falls kommt vom Himmel erneut mehr Wasser als die Fälle hinunterrauscht. Noch immer winkt der blaue Himmelsstreifen am Horizont.

Warrumbungle Nationalpark

Während wir in den letzten Tagen bei strömendem Regen noch sehnsuchtsvoll zum besseren Wetter nach Westen geschaut haben, schweift nun unser Blick nun vom Warrumbungle Nationalpark etwas schadenfroh nach Osten. Dort walzt sich nach wie vor ein dickes Wolkenband an den Bergen entlang. Wir wandern im strahlenden Sonnenschein durch eine bizarre Vulkanlandschaft, die vor rund 20 Millionen Jahren entstanden ist. Geregnet hat es hier lange nicht, die Erde ist trocken und staubig. Trotzdem lodern auf dem Campingplatz etliche Lagerfeuer, für uns unverständlich, zumal der Nationalpark vor fünf Jahren fast komplett abgebrannt ist. Zum Glück hat sich die Natur sehr schnell erholt und beeindruckt wandern wir durch den noch jungen Eukalyptuswald.
Wie durch ein Wunder ist eines der größten Observatorien Australien von dem Brand verschont geblieben. Bei einem Rundgang erfahren wir von Stan, dass damals im Inneren des Gebäudes über 100 Grad gemessen wurden. Die empfindlichen Geräte haben die hohen Temperaturen überstanden. Inspiriert von den fantastischen Fotos im Observatorium stellt Jörg am Abend das Stativ auf einen Felsen. Die Luft ist glasklar, der nächste Ort einige Dutzend Kilometer entfernt – ideal für ein paar schöne Fotos vom Sternenhimmel. Als das letzte Tageslicht am westlichen Horizont verglüht ist, wird der Himmel im Osten wieder hell. Wenig später beleuchtet der Mond in seiner vollen Schönheit die Szenerie. Frustriert packt Jörg die Fotoausrüstung wieder ein.

Mount Kaputar

Der klare Himmel lässt die Nachttemperaturen in den Keller sinken. Im Mount Kaputar Nationalpark campieren wir auf 1400 Meter Höhe, und das Thermometer pendelt um die Frostgrenze. Jörg hat das Mobil so auf eine Lichtung gezirkelt, dass die Solarzellen etwas Sonne abbekommen. So sind wir gut mit Strom versorgt und machen es uns in unserem zu Hause gemütlich. Am späten Abend klopft es an der Tür. Erschrocken schauen wir uns an. Hier, weitab von jeder Zivilisation erwarten wir eigentlich niemanden. Wir löschen das Licht und versuchen in die Dunkelheit zu starren. Es ist nichts zu sehen, dafür klopft es erneut. Nach kurzer Überlegung setzen wir auf den Überraschungseffekt. Mit einer starken Taschenlampe bewaffnet reißen wir die Tür auf. Völlig erschrocken springt ein Riesenkänguru zur Seite. Babsi grinst wissend. Sie hatte vor der Stufe das Kochwasser vom Reis abgegossen. Dabei waren einige Körner mit aus dem Topf gefallen. Davon wird das Känguru zwar nicht satt, fand es aber gut. Vor lauter Begeisterung hat es wohl mit dem Schwanz auf unsere Eingangsstufe geschlagen. Amüsiert gehen wir zu Bett und genießen eine stille Nacht.

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