Natur pur

Natur pur

Draußen ist es still, so still, wie lange nicht mehr. Wir übernachten im Wald unter hohen Karribäumen. Die nächste Straße ist kilometerweit entfernt. Nur ein schmaler Weg führt zum Übernachtungsplatz. Gespannt lauschen wir in die dunkle Stille. Da ist nichts, nicht das kleinste Geräusch. Das ändert sich gegen Morgen. Die Natur erwacht und mit ihr die Tiere. Kängurus ziehen durch den Wald und suchen sich ihr Frühstück. Mit einem Gurren und anschließendem Gelächter melden sich einige Kookaburra. Die Vögel stecken mit dem Schrei, der an ein gehässiges menschliches Lachen erinnert, ihre Reviere ab. Von Weither hören wir die Antwort auf den Vogelruf: Hier sitze ich.
Apropos Vögel. Dass Affen dreist sind, konnten wir in Afrika mehrfach erfahren. So scheuten sie nicht davor zurück, vom Frühstückstisch die Eier zu klauen. In Australien übernehmen Vögel die Rolle der Affen. Das Ganze läuft noch einen Zacken schärfer ab, als in Afrika: Wir sitzen auf einer Bank, jeder hat sein Lunchbrot in der Hand. Plötzlich streift Jörg eine Flügelschwinge am Ohr und Babsi schaut ihrem Lunchbrot hinterher. Unbemerkt hat der Vogel einige Meter hinter unserem Rastplatz auf seine Gelegenheit gewartet. Furchtlos stürzt er sich zwischen uns hindurch und schnappt mit seinen Krallen blitzschnell die Mahlzeit, um sie in sicherem Abstand auf dem Boden abzulegen. Nun ist das Brot mit Wurst und Käse eine Nummer zu groß für das Tier. Geschickt nimmt das Federvieh die Einzelteile in den Schnabel und schlägt sie immer wieder auf die Erde, bis verzehrbare Portionen entstehen. Der hungrige Räuber ist ein Kookaburra, der zur Familie der Eisvögel gehört. Mit einer Größe von rund 45 Zentimetern ist er das größte Familienmitglied.
Nach einer Viertelstunde ist der Vogel satt. Auf dem Wanderweg bleibt die gute Butter zurück, an der sich inzwischen einige Ringsittiche schaffen. Babsi bekommt zum Trost ein großes Stück Schokolade.

Nach einiger Zeit im Karriwald müssen wir unsere Vorräte auffrischen. Während wir unser WoMo für die Weiterreise vorbereiten, stutzen wir kurz. Wohin mit dem ganzen Müll? Es ist immer wieder erstaunlich, wieviel sich davon ansammelt, wenn man einige Zeit fernab der Zivilisation unterwegs ist. Auf Campingplätzen bringt man Rester recht gedankenlos zur Tonne. Da es im Busch weder Mülleimer noch Papierkörbe gibt, versuchen wir selbst den Müll sinnvoll zu entsorgen. Bioabfälle gehen zurück in die Natur, Papier wird zum Anzünden der Grillfeuer verwendet. Übrig bleiben zahlreiche Plastebehälter, die nach einigen Tagen einen voluminösen Umfang einnehmen. Hier bleibt nur das Einlagern bis dann endlich wieder ein Müllbehälter in Sichtweite ist.

Windy Harbour

Windy Harbour macht seinem Namen alle Ehre. Einen Hafen gibt es an diesem Ort zwar schon lange nicht mehr, dafür umso mehr Wind. Der Sturm bläst unser Wohnmobil fast um. In der Nacht kommt Regen hinzu. Die Tropfen werden von den Böen auf das Dach gepeitscht, an Schlaf ist nicht zu denken. Am nächsten Morgen ist der Spuk vorbei, die Sonne scheint, als sei nichts gewesen. Unser nächster Stellplatz im Shanon-Nationalpark liegt windgeschützt, dafür unter Bäumen. Wieder regnet es in der Nacht. Wieder knallen die Tropfen auf das Dach des Wohnmobils und bringen uns um den Schlaf. Auch als der Regen schon lange aufgehört hat, schütteln die Bäume noch immer Ihr Nass aus den Kronen. Erst im Morgengrauen schlafen wir ein.

An den Fernhook-Wasserfällen sucht Jörg die Fotografenspur. Die gibt es an fast jeden Aussichtspunkt als unscheinbaren Trampelpfad, um abseits von Plattformen und Wegen das Motiv besser einzufangen. Auch am Wasserfall gibt es den Fotografenpfad. Er endet an einigen Steinen am Rockpool. Jörg klettert auf die Steine, rutscht ab und probt zwischen den Felsen seinen Maikäfertrick. Dabei liegt er auf dem Rücken im Wasser, Beine und Arme gen Himmel gestreckt. Erschrocken will Babsi helfen, weiß jedoch nicht, ob sie lachen oder heulen soll. Inzwischen kann sich Jörg selbst aus seiner misslichen Lage befreien. Alles sah wohl schlimmer aus als es war. Verletzungen gab es nur kleine und Kamera sowie Handy sind in der wasserabweisenden Hose trocken geblieben. Einziger Kommentar von Jörg zu der Aktion ist, dass das Wasser nicht wirklich kalt sei.

Apropos Wasser: Seit wir durch den australischen Südwesten fahren, wundern wir uns über die vermeintlich schmutzigen Flüsse. So war im Blackwood River stellenweise das Wasser komplett von weißem Schaum bedeckt. Einen einsamen Paddler, der sich durch die Schaumkronen kämpfte, beneideten wir nicht. Andererseits konnten wir uns nicht vorstellen, dass die Aussies ungeklärte Abwässer in die Flüsse leiten. Mit der Zeit lüftet sich das Geheimnis: Durch die intensiven Regenfälle im Winter und Frühjahr werden Tannine aus den Rinden der Bäume gespült. Die Gerbstoffe verursachen die intensive Färbung des Flusswassers, das stellenweise an dünnen Kaffee erinnert. An Wasserfällen und Stromschnellen bildet sich dann durch die Tanninanreicherung reichlich Schaum.

durch Tanninanreicherung reichlich Schaum

Aus dem Wald zurück fahren wir an einer Wiese voller Osterglocken vorbei. Der Anblick ist für uns im September etwas gewöhnungsbedürftig. Aber so ist sie halt, die Natur.

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