Normalerweise steckt Jörg eine Schifffahrt locker weg. So zunächst auch heute. Wir sind unterwegs nach Tasmanien. Schon am Vortag hatten wir uns vom Campingplatz in Melbourne auf den Weg zum Hafen gemacht. Zum Glück, denn das Navi war der Meinung, dass der kürzeste Weg auch der Schnellste ist. Für die fünfzehn Kilometer brauchten wir schließlich zwei Stunden, beschaulicher kann man sich Melbournes Innenstadt kaum anschauen. Nun sitzen wir auf der „Spirit of Tasmania“, einer Fähre, die etwas Kreuzfahrtflair verbreitet. Bevor das Schiff zum Liniendienst in Australien eingesetzt wurde, schipperte es auf dem Mittelmehr zwischen Italien und Griechenland.
Inzwischen sind wir an der Ausfahrt der Port Phillip Bay angelangt und fahren durch „The Rip“. Die nur rund einen Kilometer breite Passage führt aus der riesigen Bucht von Melbourne ins offene Meer. Das Schiff wird deutlich unruhiger, und mit der Zeit wechselt Jörgs braune Gesichtsfarbe ins Grünliche. Es folgen fünf Stunden Leiden bis der Wellengang im Windschatten von Tasmanien endlich nachlässt. Mit strahlendem Sonnenschein und angenehmen Temperaturen empfängt uns die Garteninsel Australiens. Vom Fährhafen steuern wir direkt den Narawntapu Nationalpark an. Türkisfarbene Buchten, unendliche Sandstrände und glasklares Wasser mit angenehmen Temperaturen – das muss das Paradies sein. Und dafür haben wir nur drei Wochen? Wir verlängern sofort und buchen die Rückfahrt um.
Der weitere Weg führt uns über Frankford nach Grindelwald. Nun mag sich der geneigte Leser fragen, ob wir tatsächlich auf Tasmanien unterwegs sind, oder ob hier Zeilen eines Reiseberichtes von Deutschland in die Schweiz, natürlich mit Druckfehler, hineingerutscht sind. Sind es nicht, denn das tasmanische Dörfchen Frankford gibt es tatsächlich. Wie man zunächst meinen würde, hat der Ortsname jedoch nichts mit der deutschen Großstadt zu tun. Vielmehr ist Name Frankford an den Franklin River, der durch das Gebiet fließt, angelehnt.
Das tasmanische Grindelwald dagegen ist im Rahmen eines Feriendorfes entstanden. Hier wurde das Zentrum des Schweizer Bergdorfes im Wesentlichen nachempfunden. Statt des Eiger Massivs thront im Hintergrund das Tamarhorn, benannt nach dem gleichnamigen Fluss in der Nähe. Wir schlendern durch den Ort und erklimmen den Gipfel, natürlich über die Nordwand. Anschließend, bei einem Kaffee nehmen wir uns vor, irgendwann einmal das Schweizer Original zu besuchen.
Unsere Route führt weiter entlang des Tamar River. An dessen Unterlauf überspannt die Batman Bridge den Fluss. Nach einer kurzen Rast an dem beeindruckenden Bauwerk steuern wir Launceston, die zweitgrößte Stadt der Insel an. Immer wieder sehen wir Schilder mit Hinweisen auf die Tasmanische Weinroute. Wein in Tasmanien? Das hatten wir nicht erwartet. Bedenkt man jedoch, dass der australische Bundesstaat auf der gleichen südlichen Breite liegt, wie Rom nördlich des Äquators, wird einiges klarer. Der Wein schmeckt jedenfalls vorzüglich.
Das Zentrum des Ben Lomond-Nationalparks besteht im Wesentlichen aus einem schroffen Gebirgsplateau, das über eintausend Meter aus seiner Umgebung herausragt. Zahlreiche senkrecht aufragende Basaltsäulen zeugen von aktiver vulkanischer Tätigkeit in längst vergangenen Tagen. Die Zufahrt zur Hochebene erfolgt über eine Schotterstraße, die zunächst durch tiefe Eukalyptuswälder führt. Auf den letzten fünf Kilometern lichtet sich der Wald. Von einem kleinen Parkplatz sieht man nun den weiteren Weg, der in engen Windungen spektakulär in den Felsen geschlagen wurde. Angesichts der Herausforderung schnauft der Nissan kurz durch und gibt uns zu verstehen: Machen wir! Ich habe den Trollstiegen in Norwegen geschafft, ich habe den Sanipass in Südafrika geschafft, so werde ich auch die Jacob`s Ladder hinauffahren. Gesagt, getan und so schiebt sich unser treues Gefährt mit Allrad und Getriebeuntersetzung die Kurven hinauf. Oben angekommen werden wir mit einem schönen Ausblick auf das eben Erlebte belohnt und beobachten, wie sich andere Fahrzeuge den Berg hinaufquälen.
In Bridport treffen wir Jan und Neil. Beide wohnen in der Nähe von Melbourne. Während des Abendessens entspinnt sich ein nettes Gespräch über unsere Reise, sind wir doch vor Kurzem fast an ihrer Haustür vorbeigefahren. Wie sich später herausstellt, verbringt das Paar ein verlängertes Wochenende auf Tasmanien. Sie sind leidenschaftliche Golfspieler, und hier auf der Insel befindet sich der zweitbeste Golfplatz von Australien. Auf unsere Frage, wo denn der beste Platz des Landes sei, antworten beide prompt: Bei Melbourne! So sind sie halt, die Aussies.