Der Grenzübertritt nach Lesotho ist unspektakulär. Babsi muss lediglich drei neugierige südafrikanische Zollbeamte durch unsere Wohnung führen. Auf lesothischer Seite war man wild auf 30 Maloti Straßennutzungsgebühr, was umgerechnet derzeit knapp zwei Euro sind. Die Grenzbeamtin zieht sich dafür extra in ihr winziges Häuschen zurück, nur um das Geld in Empfang zu nehmen. Eine Quittung gibt es nicht. Noch ein Stempel in den Pass, und schon dürfen wir für 30 Tage durch das Kingdom of Sky reisen, wie sich Lesotho selbst nennt. Unser erster Eindruck ist gespalten, hatten wir doch spektakulärere Landschaften erwarten. Wie sich später herausstellt, sind wir nur am falschen Ende in das Land eingefahren. Spannend hingegen ist die Begegnung mit den Einheimischen, erinnert uns doch hier Vieles an Sambia und Malawi.
Wir stehen am Gate of Paradise. Genau so heißt der 2001 Meter hohe Pass, der die Hochebene um das Städtchen Mafeteng von Lesothos gigantischer Bergwelt trennt. Eine alte Weisheit besagt, dass der Weg ins Paradies steinig sei. Stimmt haargenau, denn für die sieben Kilometer von der Passhöhe bis zum Herzen des Paradieses brauchen wir knapp eine Stunde. Sind ausnahmsweise mal keine tiefen Wasserrinnen auf der Piste, liegen dort spitze Steine, die normalerweise jeden Reifen kollabieren lassen. Schwer ächzt der Nissan unter der schlechten Wegstrecke. Von hinten sind verdächtige Laute zu vernehmen. Da wir sowieso nur Schrittgeschwindigkeit fahren können, steigt Babsi aus und läuft nebenher, um den Fehler zu orten. Als Quelle der Geräusche machen wir schließlich die Bügel im Kleiderschrank aus, die bei jeder Bodenwelle laut an die Bordwand schlagen. Wir fahren nur mit halber Tankfüllung und mit wenig Trinkwasser ins Paradies. Zumindest Wasser soll es ja dort zur Genüge geben…
Erneut sind wir auf Pferderücken unterwegs. Manche Gegenden in Lesotho lassen sich so am besten erkunden, da die Fahrwege in die abgelegenen Bergregionen häufig schlecht passierbar sind. Auf schmalen, ausgewaschenen Pfaden reiten wir in eine Schlucht. Das geht heute schon wesentlich entspannter vonstatten als beim ersten Ausritt. Unser Guide, Taba, möchte uns Felszeichnungen zeigen, die mehr als 25 Tausend Jahre alt sind. Das letzte Stück müssen wir zu Fuß gehen. Ein Steinschlag gigantischen Ausmaßes, der vor vielen Jahren in die Schlucht donnerte, macht den Weg für die Pferde nicht begehbar. Fasziniert stehen wir vor den bestens erhaltenen historischen Relikten. Es ist unglaublich, wie unserer Vorfahren emotionale Momente mit ein paar Strichen darstellen konnten. Taba versucht uns einiges zu erklären. Obwohl englisch auch hier im Land Amtssprache ist, können viele Bergvölker nur ihre Stammessprache. Ein paar englische Brocken haben sich die Touristenführer jedoch angeeignet, alles andere geht mit Händen und Füßen. Tief beeindruckt reiten wir vor der grandiosen Bergkulisse Lesothos zurück ins Camp.
Nachdem wir uns auch bei der letzten Wanderung in Südafrika verlaufen hatten und schließlich an einer steilen Felskante wieder umdrehen mussten, kann uns das in Lesotho nicht passieren. Hier gibt es gleich gar keine Wegmarkierungen, sodass man nicht erst auf die Idee kommt, allein loszuwandern. Wie schon in Malawi, sollte man auch in Lesotho nur mit einem Bergführer wandern. Heute führt uns Emanuel über Stock und Stein zum Botsoela Wasserfall. Dabei erzählt er viel über das Land, sein Dorf und die Leute in Lesotho. Begleitet werden wir von Gabi und Peter, zwei Schweizer Weltenbummler, die ebenso wie wir, seit einem guten Jahr durch Afrika touren. Unser Wanderweg ist eigentlich kein Weg, Emanuel läuft mit uns über weite Wiesen und steile Felsabbrüche hinab. Immer wieder saugen wir die faszinierende Landschaft auf. Nach einigen Flussquerungen stehen wir vor dem Botsoela Wasserfall, und wenig später kommen ein Musikant und zwei Tänzer angerannt. Die Jungen hatten uns bei der Wanderung beobachtet und stürzen nun Hals über Kopf in die tiefe Schlucht, um uns ein Ständchen auf der Ölkannengitarre zu spielen. So schnell, wie sie gekommen waren, sind sie nach der Vorstellung die steile Felswand auch wieder hinauf geklettert. Das dauert bei uns wesentlich länger, und am nächsten Tag entdecken wir einmal mehr alte Muskeln neu.