Wir verbringen einige schöne Tage am Strand von Sandy Point. Das Nest macht seinem Namen alle Ehre, liegt es doch an einem breiten Sandstrand in unmittelbarer Nachbarschaft zum Wilsons Promontory Nationalpark. Außer einem Campingplatz und einigen Urlauberhütten gibt es immerhin noch ein Gebäude, welches den Supermarkt, die Post und eine Werkstatt beherbergt. Zwei Tanksäulen vervollständigen das Bild des idyllischen Dorfzentrums.
Im Laden gehen Neoprenanzüge und Surfbretter derzeit besonders gut. Um einen angenehmen Badetag zu verbringen, brauchen wir beide Utensilien nicht, dafür umso mehr Sonnencreme. Beim Rückweg vom Strand bemerkt Jörg ein kleines Restaurant am Wegesrand. Paradise of Sandy Point steht auf einem Plakat geschrieben. Das klingt vielversprechend, und so beschließt unsere kleine Reisegruppe spontan, das Abendessen dort einzunehmen. Zuvor hatten wir die Öffnungszeiten erfragt und wussten, dass die Kneipe um acht schließen würde. So stehen wir kurz nach sieben vor der Theke und bestellen Pizza. Pizza sei aus für heute, meint die träge Dame hinter dem Tresen, und es ist ihr leicht anzumerken, dass in der Gaststätte niemand mehr Lust hat, den Pizzaofen anzuheizen. Ersatzweise bestellt sich Manu einen Fishburger, der auf Nachfrage in der Küche tatsächlich auch zubereitet wird. Inzwischen hat Henrik die Getränkekarte studiert und ordert Bier für alle. Schritt für Schritt führt er die Dame von der Theke in den Nachbarraum zum Zapfhahn, aus dem der kühle Gerstensaft schließlich sprudelt. Andernfalls hätten wir uns mit einigen alkoholfreien Getränken, die unmittelbar hinter der Kasse stehen, begnügen müssen.
Das Essen selbst wir schließlich zum kulinarischen Höhepunkt. Auf einigen Lagen Packpapier serviert man eine Pappschachtel mit Pommes. Das Kilo Fritten sei gleich die Ration für alle, meint die Bedienung. In weiteren Pappschachteln gelangen schließlich Manus Burger und der frittierte Fisch für die anderen zu ihrem Bestimmungsort. Kurz vor Ladenschluss noch Besteck auszugeben, wäre tatsächlich etwas viel verlangt. Nachdem der ganze Babberschmatz etwas abgekühlt ist, füllen wir unsere hungrigen Mägen mit Fingerfood.
Nicht so anspruchsvoll ist ein Emu im Tower Hill-Naturreservat. Der braucht weder Besteck noch Finger. Seit einiger Zeit schleicht das Tier, zunächst in gebührendem Abstand, um unseren Picknickplatz. Wenig später scheint er Dinge entdeckt zu haben, denen er nicht wiederstehen kann. Der Laufvogel zieht seine Runden um unsere Bank immer enger, und schließlich taucht sein Schnabel unmittelbar neben Manu auf. Sie ist darüber weniger amüsiert, aber nachdem der Vogel die eine Scheibe Toast entführt hat, ist er genauso schnell wieder verschwunden.
Inzwischen sind auf unserer Reiseroute die Vorbereitungen zum Australien Day nicht mehr zu übersehen. Der Nationalfeiertag wird jedes Jahr am 26. Januar begangen und erinnert an den ersten Landgang britischer Siedler im Jahr 1788. Während überall Bühnen aufgebaut oder die Zutaten für ein zünftiges Aussie-BBQ herangeschafft werden, ist der Feiertag auf dem fünften Kontinent nicht unumstritten. So werden anlässlich des Australian Day auch immer wieder Stimmen lauter, die daran erinnern, dass mit der Besiedlung durch die Briten auch die Vertreibung und Unterdrückung der Ureinwohner begann. Heute versucht man den Spagat zwischen Integration der Aborigines und Wiederbelebung von deren Traditionen, was jedoch nicht immer gelingt.
In diesem Jahr fällt der Australien Day auf einen Freitag und es ist für die Aussies ein willkommener Anlass, das verlängerte Wochenende außerhalb der Städte zu verbringen. Entsprechend schwierig gestaltet sich für uns erneut die Suche nach einem Übernachtungsplatz. Schließlich bleiben wir am Roadhouse Otway Central hängen. Zu dem ehemaligen Bahnhofsgelände gehört eine große Wiese, auf der uns ein bärtiger Typ bereitwillig einen Stellplatz anbietet. Außerdem lädt er uns zu Livemusik und einem guten Bier am Abend ein. Wenig später finden wir uns zwischen noch mehr bärtigen Typen am Billardtisch wieder. Die Schülerband im Nachbarraum gibt ihr bestes, sodass eine Unterhaltung kaum möglich ist. Die Hauptsache, das Bier läuft und die Kugel rollt.
Gern erinnern wir uns an das kühle Blonde zurück, als wir bei 47 Grad nach Melbourne einfahren. Auf dem Campingplatz bläst uns ein heißer Luftstrom ins Gesicht. An den Türklinken der Gebäude verbrennt man sich fast die Finger und auch in der Nacht rutscht das Thermometer nur wenig unter die 30 Grad Marke. Doch schon bald dreht der Wind und die Temperaturen gehen auf angenehme Werte zurück. Dabei öffnet der Himmel seine Schleusen, und sicherlich ist die eine oder andere Abschiedsträne dabei. Leider geht für Manu und Henrik ihre Australienreise zu Ende. Es war eine sehr schöne Zeit mit Euch.