Streng schaut der Quarantänebeamte an der Westaustralischen Grenze über seinen Brillenrand. Nachdem er unsere Fahrzeugnummer notiert hat, begehrt er Einlass in unsere Wohnung. Kühlschrank, Küchenschränke und sogar das Bad werden auf frisches Obst und Gemüse durchsucht. Nichts, aber auch gar nichts dergleichen darf man mit über die Grenze zwischen den Bundesstaaten nehmen. Abschließend fragt der Beamte nach Honig und Nüssen. Auch diese Waren stehen auf der Ausschlussliste. Wir wissen das, und haben natürlich nichts dabei. Hochzufrieden kehrt der Uniformierte in sein Office zurück. Vorher weist er uns freundlich darauf hin, dass wir die Uhren um 90 Minuten zurückstellen sollten. Ab hier gilt Westaustralische Zeit. Das tun wir natürlich sofort. Nun sind wir der mitteleuropäischen Sommerzeit nur noch 6 Stunden voraus. Später holen wir eine Gurke und die Kartoffeln aus dem Versteck. Es ist einfach zu teuer und zu schade, das frische Gemüse in irgendeinen Mülleimer zu werfen.
Unsere Wanderungen in den Kimberleys beginnen wir mit Sonnenaufgang. Hier kommt uns die Zeitverschiebung gerade recht. Wenn die Felswände von der Morgensonne in tiefrote Farben getaucht werden, sind die Temperaturen noch erträglich. Schon am frühen Vormittag klettert die Quecksilbersäule auf 36 Grad. Blitzschnell sind dann die Wassertropfen vom letzten Bad auf der Haut verglüht. Verlassen wir die klimatisierte Fahrerkabine, weht uns ein heißer Wind um die Nase. Jörg hofft nachts auf Abkühlung, doch als wir gegen elf zu Bett gehen, herrschen unter dem Sternenzelt noch über 30 Grad. Das ist selbst Babsi zu viel. Im Supermarkt plündern wir die Mineralwasserregale. Die letzten 20 Flaschen waren nach drei Tagen alle.
In Kununurra schwimmen wir mit den Krokodilen um die Wette. Genauer gesagt, teilen wir uns das Terrain. Während wir tagsüber durch die Lagunen paddeln und immer wieder ein frisches Bad im Ord River nehmen, durchstreifen abends die Krokos auf der Suche nach frischem Fisch das Revier. Anders als die riesigen Salzwasserkrokodile, wirken die Frischwasserspezies fast zierlich. Wenn sie sich gestört fühlen, tauchen sie meist ab, um einige hundert Meter weiter erneut im flachen Wasser zu lümmeln.
Mehr aufpassen müssen wir im Tunnel Creek. Der Wasserlauf in den Westkimberleys schlängelt sich entlang der Felsbarrieren eines ehemaligen Riffs. Am Durchbruch wandern wir durch eine riesige Höhle, die sich streckenweise nur über den Wasserweg erkunden lässt. Vorher suchen wir die betreffenden Stellen mit unseren Lampen sorgsam nach „reflektierenden Augen“ ab. Dort liegen die Krokodile im Wasser, von denen man einige Meter Abstand halten sollte. Zum Glück lassen sie sich von uns nicht aus der Ruhe bringen.
Über die westliche Gibb River Road führt unser Weg weiter zum Indischen Ozean. In der Umgebung von Derby treffen wir auf unsere geliebten Baobab-Bäume, die wir schon aus Ostafrika kennen. Die charakteristisch geformten Pflanzen sind ursprünglich in Madagaskar beheimatet und werden hier in Australien Boas genannt. Eine der Verbreitungstheorien besagt, dass vermutlich durch die kräftige Meeresströmung zwischen Afrika und Australien einige Früchte über den Ozean angespült wurden und hier auf fruchtbaren Boden stießen.
Der Ort Derby selbst erlangt als eine Ersatzteilhauptstadt Australiens zweifelhafte Berühmtheit. Nach der Fahrt durch die Kimberleys auf der knapp 700 Kilometer langen Gibb River Piste fehlt an einigen Autos eine Schraube oder mehr. In den Werkstätten stehen die Fahrzeuge Schlange, auf einen Termin wartet man nicht selten zwei Wochen. Auf der Wiese unseres Campingplatzes finden wir immer wieder Splinte und Schrauben. Für Wagen, die es nicht bis zum Service schaffen, gibt es mobile Reparaturkommandos, von denen wir einige in der Nachbarschaft beobachten. Trotzdem wir uns nicht für die komplette Fahrt über die Gibb River Road entschieden haben, finden wir auch in unserem Mobil Teile, von denen wir im Moment nicht wissen, wo sie hingehören. Meist fängt kurze Zeit darauf irgendetwas an zu klappern, sodass das Teil zugeordnet werden kann. Besonders arg trifft es unseren Kühlschrank. Bleibt nach einer Reiseetappe das vertraute Lüftergeräusch aus, wissen wir, dass er nur noch auf Sparflamme arbeitet. Das passiert vornehmlich dann, wenn wir beim Fahren einer Piste vergessen haben, von Gas- auf Elektrobetrieb umzuschalten. Durch den aufgewirbelten Staub ist schon nach wenigen Kilometern die Brennerdüse verstopft. Oft reinigt Babsi das Gerät noch spät abends in der Dunkelheit.
Ebenfalls im Dunkeln erleben wir in Broome „Staircase to the Moon“. Das Naturschauspiel findet statt, wenn bei Ebbe der Vollmond über einer Lagune aufgeht. Die Reflexionen im nassen Sand ähneln dann einer Treppe zum Mond. Auf der anderen Seite von Broome beobachten wir am Cable Beach traumhafte Sonnenuntergänge. Leider ist die Zeit der erfrischenden Bäder an dem Kilometer langen weißen Sandstrand fast vorbei. Immer wieder bemerken wir beim Schwimmen brennende Reize auf der Haut, die von der nahenden Quallensaison künden. Etwas weiter südlich weist abermals ein großes Schild auf das Badeverbot hin. Als Grund werden hier allerdings nicht Quallen, sondern Haie genannt. Nun kann es nur noch besser werden.