Seit einiger Zeit fahren wir durch stürmisches Gebiet. Am Wendekreis des Steinbocks treffen vor der Westaustralischen Küste zwei Meeresströmungen aufeinander. Aus nördlicher Richtung bringt der Äquatorialstrom warmes Wasser von tropischen Gefilden, und vom Südpolarmeer schiebt der Westaustralstrom kaltes Wasser nach Norden. Die Vermischung beider Wassermassen erzeugt heftige Stürme. Nachdem wir uns an der felsigen Küste von der Gischt ordentlich haben einregnen lassen, übernachten wir am Strand. Das war keine so gute Idee, wie sich leider erst in der Dunkelheit herausstellt. In den Abendstunden nimmt der Sturm zu, und unser Haus schwankt bedenklich. Jörg überlegt kurz, den Stellplatz zu wechseln. Die Sandwege in der Dunkelheit zu fahren, wäre jedoch genauso abenteuerlich, wie den Sturm einfach auszusitzen. Wir entscheiden uns für letzteres. Am nächsten Morgen sind wir gerädert. An Schlaf war nicht zu denken, denn alles hat geklappert, was im Wohnmobil nicht niet- und nagelfest war.
Mit der Einfahrt nach Carnarvon tun wir uns schwer. Wohl wissend, dass es bis zum Endpunkt unserer Australienrundreise nicht mehr weit ist, verharren wir an der fantastischen Küste nördlich der Stadt länger als geplant. Am Strand von Coral Bay verspricht ein Werbeplakat neben einzigartigen Ansichten vom Ningalo Riff auch das gemeinsame Schwimmen mit Manta Rochen. Wir erinnern uns an einen Ausflug vor gut einem Jahr auf Mauritius, als es hieß – Schwimmen mit Delfinen. Die Veranstalter stellten sich allerdings nicht sehr geschickt an. Blitzschnell tauchten damals die Delfine in tiefere Gewässer ab, sodass wir als Schnorchler nicht allzu viel von den Tieren hatten. Dieses Mal werden wir nicht enttäuscht. Majestätisch gleiten die gewaltigen Rochen mit einer Flossenspannweite bis zu 7 Metern durch den Ozean, vorweg rund ein Dutzend kleinerer Pilotfische. Als gute Schwimmer können wir die Tiere ein Stück auf ihrem Weg begleiten.
Schließlich erfahren wir, dass Christian und Yvonne in Carnarvon sind. Als wir die beiden Schweizer treffen, können wir zwar nicht die versprochenen Spaghetti zubereiten, für einen gemütlichen Plausch bei einem Glas Wein reicht es jedoch allemal. Noch ist ja unsere Tour nicht zu Ende, und wir fahren nach wie vor in dieselbe Richtung.
Weiter geht es südwärts. Jörg lässt sich nochmal die Haare verschneiden. Seit vielen Jahren erledigt das Babsi zuverlässig auf Campingplätzen, an Stränden oder auf Waldlichtungen. Dieses Mal stören sich einige Magpies an der Aktion. Unentwegt fliegen die Vögel Angriffe auf unseren Frisörsalon. Offensichtlich brüten sie in der Nähe. Plötzlich findet einer der Magpies Gefallen an den abgeschnittenen Haaren. Mit seinem Schnabel sammelt er die Rester vom Grasboden und transportiert sie weg. Bald folgen weitere Vögel dem Tun. Offensichtlich hat sich herumgesprochen, dass sich Jörgs Haarspitzen hervorragend zum Polstern der Nester eignen.
Weniger scharf auf Haare, als vielmehr auf Fische sind einige Delfine in Shark Bay. Die ersten Tiere kamen vor vielen Jahren, als Fischer die Abfälle ihres Fangs ins Meer warfen. So boten sie den Delfinen eine bequeme Mahlzeit. Mit der Zeit kristallisierte sich die Fischfütterung als Touristenattraktion heraus, und die Tiere verlernten ihr natürliches Jagdverhalten. In der Folge ging die Population stark zurück. Auch heute noch werden die Tiere gefüttert, und das Ereignis wird während einer Show vermarktet. Allerdings bekommen die Delfine nur einige Häppchen, die etwa 10% ihres Tagesbedarfs entsprechen. Beeindruckt hat uns, dass man nach dem Erscheinen der Tiere die Uhr stellen kann. Pünktlich versammeln sich die jeden Morgen viertel vor acht im flachen Wasser und warten auf ihre Leckerbissen. Genau so schnell wie sie gekommen sind verschwinden sie auch wieder, wenn keine Fische mehr gereicht werden. Ähnliches erlebten wir bei Cape Hillsborough an der Ostküste mit der Fütterung von Kängurus.
In Denham lernen wir Capes kennen. Der Aborigine begleitet uns in den Francois Peron Nationalpark. Zu Beginn des Ausfluges bückt sich der Mann und lässt den roten Sand durch seine Finger rinnen. Mit dieser Aktion und einem lauten Spruch begrüßt er sein Land, seine Natur.
Unterwegs weist er immer wieder auf Tierspuren im Sand hin oder reicht uns Früchte von den Büschen zum Kosten. Als ein Tannenzapfenskink über die Piste eilt, steigt Capes kurzerhand aus und präsentiert uns das Tier wenig später in seinen Händen. Nach einer kurzen Erklärung setzt er die Echse behutsam in den Sand zurück. Gleiches tut er wenig später mit einem Dornenteufel, der partout nicht von der Straße weichen wollte. Während des Ausfluges entspinnt sich ein interessantes Gespräch über das heutige Leben der Aborigines. Capes bestätigt unseren Eindruck von der Zerrissenheit dieser Bevölkerungsgruppe zwischen ihrer Tradition und dem heutigen Leben. Unser Begleiter hat den Spagat geschafft. Während der Tour zeigt er uns die schönsten Stellen seines Landes. Aus dem Nationalpark wurden alle artfremden Lebewesen verbannt, um die ursprüngliche Flora und Fauna wieder anzusiedeln.
Im Verlauf der Fahrt sammelt der Aborigine immer wieder Müll auf, den Touristen achtlos weggeworfen haben. Es sind nicht viele, die das machen meint er lächelnd, und manchmal hilft ja der Wind noch kräftig mit. Dass Capes den Touristen nicht gram ist zeigt er am Ende, als er mit seinem kräftigen Landy kurzerhand einen Havaristen aus dem Tiefsand zieht.