Abenteuer nach Theth
Am nächsten Tag sitzen wir bei Agim im Bus. Wir sind zwei von 12 Personen, die sich den „Platz“ im Mercedes 207 D teilen. Der Transporter fristet in Albanien sein 2. Leben nach einem sicherlich beschwerdefreieren in Deutschland. Die Schiebetür ist zugeschweißt, einsteigen kann man nur über die Beifahrerseite. Wer auf den Sitzbänken keinen mehr Platz findet, dem wird ein Plastebock hingestellt. Umfallen kann eh keiner!
Mit uns fährt eine Gruppe von Sportstudenten der Universität Tirana nach Theth ins Sommercamp. Unterwegs wird an einer Bäckerei noch Proviant geladen, viele Brote, die auf der schlechten Straße immer wieder ihren Weg von hinten nach vorn im Bus suchen. Bei der Verständigung half uns Besnik. Der Kettenraucher ist Professor der Sportwissenschaften an der Uni und spricht sehr gutes Englisch. Besnik wurde für viereinhalb Stunden unser Reiseleiter durch die Albanischen Alpen. Nach rasanter Fahrt, bei der sämtliche je eingenommene Mahlzeiten drohten, wieder ans Licht zu gelangen, erreichten wir den 1600 Meter hohen Thore-Pass. Von dort führte der „Weg“ hinab nach Theth, einem malerischen Bergdorf mitten in den Albanischen Alpen. Die Sportler mussten den letzten Rest der Strecke in ihr Camp zu Fuß zurücklegen, da ergiebige Regenfälle den Weg einfach weggespült hatten. Nachdem der Bus mitten im Wald entladen war, brachte Agim uns ins Dorf.
Bei einer albanischen Familie wurden wir sehr herzlich empfangen und im grünen Garten Eden stand ein reich gedeckter Tisch mit albanischen Spezialitäten. Das hatte Niko vom Campingplatz quasi „hinter unserem Rücken“ organisiert. Mit ihm mussten wir später auch eine Telefonkonferenz schalten, um uns bei den gastfreundlichen Albanern überhaupt bedanken zu können. Nach dem Essen zeigten uns die Söhne der Familie nicht ganz ohne Stolz die Sehenswürdigkeiten von Teth.
Wieder wurde mit Nico telefoniert, um den weiteren Ablauf unserer Reise abzustimmen. Zuvor übten sich Agim und sein Begleiter in kollektivem Schulterzucken. Nico verordnete uns noch drei Stunden Freizeit, sodass wir zur Schlucht und zum Wasserfall wandern konnten. Rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit traten wir die Rückreise an. Nun nur noch zu dritt im Bus, zeigte Agim was er konnte: In der einen Hand die Zigarette, in der anderen das Handy oder die Fernbedienung vom Radio, um die Lautstärke der ohrenbetäubenden Musik während der Telefonate regeln zu können. Mit zwei Fingern lenkte er das Fahrzeug über den halsbrecherischen Weg. Direkt vor unserer Nase schwebten drei Rauchverzehrerbäumchen mit unterschiedlichen Duftnoten…
Von Vorteil war, dass dieses Martyrium genau eine Stunde kürzer war als die Hinfahrt. Am Campingplatz angekommen, wurde der Ausflug beim Abendessen ausgewertet. Schön war’s, Nico strahlte und fragte uns, ob wir am nächsten Tag Interesse hätten, mit zu den großen albanischen Stauseen zu fahren. Auf unsere vorsichtige Frage, wer den der Fahrer sei, schaute er uns verwundert an: Agim natürlich!
Zum Schluss noch eine Bemerkung: Zur Zeit wird nach Theth eine Straße gebaut und das schneller als jede Straße hierzulande. Das Abenteuer währt also nicht mehr lange, und vermutlich ist dann auch der beschauliche Ort nicht wiederzuerkennen.