Unsere Ausgaben für Diesel sind derzeit recht überschaubar. Das liegt keineswegs daran, dass der Kraftstoff in Australien besonders günstig ist, im Gegenteil. Der Preis ist in den letzten Monaten spürbar angestiegen. Vielmehr kommen wir nicht so recht vorwärts, weil es an unserer Route entlang der Ostküste viel zu sehen gibt.
Inzwischen haben wir es bis Rockhampton geschafft. Der umtriebige Ort wurde zu Australiens Hauptstadt der Rinderzucht gekürt. Hier gibt es einige namhafte Märkte, auf denen die Tiere gehandelt werden. In der Nähe des Städtchens übernachten wir auf einer Rinderfarm. Vieles erinnert uns an Namibia. Becc und Dave, die Eigentümer, kümmern sich derzeit um 40 Tiere, die auf dem vertrockneten Weideland kaum noch etwas zu fressen finden. In diesem Jahr ist die Regenzeit ausgeblieben, meint Dave, während er den Rindern Kraftfutter gibt. Sie sollen in Kürze verkauft werden und so noch etwas Speck ansetzten. Im nächsten Jahr, wenn die Trockenzeit vorüber ist, wird sich die Familie neue Tiere anschaffen, die dann hoffentlich auf saftig grünen Weiden satt werden.
Zum Abendessen holt Becc frische Steaks aus dem Kühlschrank. Jörg hat inzwischen ein Feuer angezündet, und wenig später genießen wir die Farmromantik. Als wir weiterziehen, verstauen wir noch einige Fleischpakete in unserer Küche, samt frischen Eiern, die Babsi am Abend vorher im Hühnerstall eingesammelt hat.
Nördlich von Rockhampton werden die Rinderweiden zunehmend durch Zuckerrohrfelder abgelöst. Immer wieder queren sogenannte Sugartrains die Straße. Die Züge bringen geschnittene Pflanzen zu den Fabriken, deren Schlote wir in regelmäßigen Abständen am Wegesrand rauchen sehen. Das Streckennetz der kleinen Zuckerbahnen zieht sich über hunderte von Kilometern durch die Felder. Entlang einer solchen Bahnlinie fahren wir das Pioneer Valley hinauf. Am Ende des breiten Tals führt eine steile Straße zur Great Dividing Range. Der Gebirgszug begleitet uns nun schon fast zweitausend Kilometer auf dem Weg nach Norden. Oben, im Eungella Nationalpark ist es empfindlich frisch. Hier soll ein Paradies der Schnabeltiere sein. Die Säuger schwimmen wie Fische, legen Eier wie Vögel, und aus dem Gesicht ragt ein breiter Schnabel, ähnlich wie bei einer Ente. Die Evolution scheint hier mit sich selbst uneins gewesen zu sein. Etwas enttäuscht drehen wir die erste Runde am Fluss, ohne eines der putzigen Geschöpfe entdeckt zu haben. Am nächsten Tag werden wir fündig. Stundenlang beobachten wir, wie die Tiere den Gewässergrund nach Fressbarem durchackern. Zurück bleibt ein trüber Wasserschweif, der von der Strömung fortgetragen wird.
Über der Tierbeobachtung vergessen wir fast, einen Übernachtungsplatz anzufahren. Schließlich landen wir bei Wazza, einem kauzigen Einsiedler. Kurz schätzt er unser Wohnmobil ab, um uns danach eine schmale Übernachtungsbucht zuzuweisen. Trotz aller Vorsicht krachen Äste und Zweige beim Einrangieren. Offensichtlich zufrieden kehrt Wazza in sein „Büro“ zurück und öffnet das nächste Bier. Das Buschcamp macht seinem Namen alle Ehre. Die Regenwaldduschen sind durch halbhohe Steinmauern voneinander abgegrenzt, als Rückwand dient der Wald. In der Ecke steht ein Donkie, der bis vor einiger Zeit der Warmwasserbereitung diente. Vieles erinnert uns hier an Afrika. Die meisten Gäste von Wazza haben so etwas noch nie gesehen und genießen das etwas schnoddrige Ecocamp.
An der Hibiscus Coast besuchen wir den Hillsborough-Nationalpark. Viele Leute beschränken ihren Aufenthalt dort auf die morgendliche Kängurushow am Strand. Etwa ein dutzend Tiere versammeln sich bei Sonnenaufgang und suchen nach Blütennektar zum Frühstück. So jedenfalls lautet die offizielle Erklärung. Am ersten Morgen sehen wir dann auch tatsächlich einige Tiere, die allerdings nichts suchen, sondern zu warten scheinen. Einzig die Sonne lässt uns im Stich, stattdessen treiben dunkle Wolken über den Himmel. Am nächsten Tag sind die Tiere wieder da. Plötzlich werden sie unruhig. Eine Rangerin kommt den Strandabgang hinuntergelaufen. Offensichtlich kennt man sich. Erwartungsvoll schauen die Tiere zu, wie am Strand silberne Tellerchen aufgestellt und diese mit einigen Leckereien gefüllt werden. Wenig später gibt es kein Halten mehr, die Kängurus stürzen sich auf die Mahlzeit. Ermöglicht haben das opulente Mahl einige zahlende Gäste, die sich nun zu Fotogesten mit den Tieren aufstellen – echtes Wildlife ist anders.
Wir wenden uns einer Ecke des Nationalparks zu, wo wir hautnah miterleben können, wie die früheren Urvölker an dieser Stelle gelebt haben – wirklich beeindruckend.
Tags darauf sitzen wir in einem Café von Airlie Beach und überlegen, ob wir die Whitsunday Islands Inseln besuchen sollten. Die einzigartige Inselwelt vor der Küste ist von Korallenriffs umgeben. Ben am Nachbartisch hört unsere Diskussion und meint, dass viele Korallen schon abgestorben sind. Es sei schwierig, noch einen Platz zu finden, an dem sich das Riff so farbenprächtig wie einst präsentiert. Ben gibt uns den Tipp für einen Rundflug. Hier kann man die Inselwelt von oben betrachten und auch das äußere Great Barrier Riff überfliegen. Noch bevor der Kaffee ausgetrunken ist, buchen wir den Flug. Eine Stunde später hebt die kleine Maschine ab und entführt uns in eine atemberaubende Welt.
Nun möchten wir das Riff natürlich auch von unten sehen. Nach der Landung fragen wir im Besucherzentrum nach den besten Schnorchelplätzen am Great Barrier Riff. Die Dame erklärt inbrünstig, dass selbstverständlich vor ihrer Küste die besten Schnorchelgründe des Riffs liegen. Gleiches hören wir einige Tage später in Townsville, 200 km weiter nördlich. Zum Glück haben wir noch etwas Zeit zum Weitersuchen.