Kleine Ursache, große Wirkung

An Melbournes Waterfront gibt es allabendlich ein flammendes Spektakel

Recht beschwingt kommen wir vom Abendessen zurück. Der Nissan hatte heute seinen großen Tag in der Werkstatt und alle Prüfungen mit Bravour gemeistert. So wurde die Servicedurchsicht nicht so teuer, wie befürchtet, und es fiel noch ein leckeres Dinner ab.
Am Wohnmobil dreht Jörg den Schlüssel im Schloss. Das geht diesmal sehr leicht, dafür lässt sich die Tür nicht öffnen. Wir denken zunächst, dass das Bier vom Abendessen seine Wirkung entfaltet und probieren es wieder und wieder. Die Tür bleibt zu. Schlagartig sind wir nüchtern und überlegen angestrengt, was nun zu tun sei. Ein Dachfenster steht einen Spalt offen, und ehe sich Jörg versieht, ist Babsi oben. Vorsichtig öffnet sie das Fenster und verschwindet in der Kabine. Das größere Problem ist nun, dass die Tür von Innen ebenfalls nicht auf geht. Nach ergebnislosen Versuchen öffnet Babsi das Heckfenster, damit auch Jörg in seinem Bett schlafen kann. An eine ruhige Nacht ist jedoch nicht zu denken. Wir grübeln beide, wie wir die Tür aufbekommen. Noch in der Nacht antwortet bimobil auf unsere Anfrage. Am Morgen stehen wir zeitig auf und versuchen die Türverkleidung zu entfernen. Als das nach einiger Zeit geschafft ist, offenbart sich ein Gewirr von Gestängen, Hebelchen und Federn. Vorsichtig zupfen wir an der Mechanik, die Tür bleibt jedoch zu.
Nach fest kommt ab, denkt sich Jörg und zieht eine der Stangen kräftiger. Plötzlich springt die Tür auf. Damit ist Teil 1 unseres Problems gelöst. Nun studieren wir die Hebelbewegungen von der Türklinke und sind nach einer Stunde immerhin soweit, dass sich die Tür wieder öffnen und schließen lässt, allerdings nicht abgeschlossen werden kann. Beim finalen Versuch steht Babsi zum Glück drinnen, denn die Tür geht wieder nicht auf…
Zu den Helden des Tages werden Phil und Fred. Der eine ist Chef vom Campingplatz und der Andere sein Kumpel. Nachdem sich Phil mit seinem Werkzeugkasten eine weitere Stunde ergebnislos an der Mechanik geschafft hat, ruft er Fred an. Fred ist Schlosser und meinte, wir sollen gleich vorbeikommen. In aller Eile setzen wir die Kabine auf den Nissan, und Phil eskortiert uns durch Melbourne. Bis zu Fred ist es zum Glück nicht so weit. Der Schosser lässt seinen fachmännischen Blick schweifen, zupfelt an den Gestängen und meint nach einigen Minuten, dass eine Rückzugsfeder fehlen würde. Während Fred nach einem passenden Ersatzteil sucht, findet Jörg einen kleinen Drahtrest – die gebrochene Feder. Inzwischen hat Fred ein neues Stück Draht passend gebogen und setzt ihn ein. Wie von Zauberhand bewegt sich plötzlich der ganze Mechanismus wieder. Jörg kann es nicht glauben und probiert es immer wieder. Auch Fred macht noch einen Stresstest und entlässt uns zufrieden – für ganz kleines Geld.

Mit dem Fahrrad auf Formel 1 Kurs

Nachdem das Auto wieder in Ordnung ist, wird Babsi krank. Das sonnige Wetter, welches wir normalerweise gut finden, macht ihr zu schaffen. Ein heftiger Allergieschub fesselt sie an die Wohnkabine. Derweil packt Jörg das Fahrrad aus und erkundet Melbournes wunderschöne Radwege. In seinem naiven Leichtsinn nimmt er an, dass die Flussradwege an Yarra und Merri einfach zu befahren wären. Häufig sind die Gewässer jedoch von Steilufern gesäumt, sodass der Radweg auf und ab geht. Einfacher ist es da schon auf dem Formel 1-Parkour. Jörg dreht eine Trainingsrunde in Bestzeit und gönnt sich anschließend ein Belohnungsbierchen zur Happy Hour im Münchner Brauhaus.
Babsis Zustand bessert sich allmählich. Die „Dunkelkur“ zeigt ihre Wirkung. Langsam heißt es für uns, von Melbourne Abschied zu nehmen. Die Stadt ist uns im Laufe der Zeit ans Herz gewachsen. Hier herrscht Weltstadtflair, verbunden mit einer Portion Gemütlichkeit. Es macht einfach Spaß, durch die gepflegten Parks zu spazieren oder in den wuseligen Vorortstraßen zu bummeln. Letztmalig flanieren wir über die abendliche Waterfront und genießen die einzigartige Atmosphäre. Nach einer letzten Wühl- und Putzorgie verlassen wir am nächsten Tag gut gelaunt die Großstadt.
Im Wilsons Promontory Nationalpark ist Babsi wieder richtig fit. Nach einer 12-Kilometer-Wanderung über Stock und Stein fragt sie, was wir als nächstes unternehmen. Das sollte ein Bahntrassenradweg werden, den wir dummerweise in verkehrter Richtung befahren. Als es auf dem Hinweg nur bergab geht, schwant Jörg schon Böses. Und auf dem Rückweg staunen wir, welche Steigungen so ein Zug früher bewältigen musste. Die nächsten Radtouren wird Jörg wohl wieder allein machen.

Am Tidal River im Wilsons Promontory Nationalpark

Weiter geht es an der Küste entlang nach Osten. Die Tage werden merklich kürzer und so beschließen wir nach einer Wanderung im Tarra Bulga Nationalpark kurzerhand, das Angebot von Nina anzunehmen und in ihrem Garten zu übernachten. Vor vielen Jahren kam Nina mit ihrem Mann aus Dänemark nach Australien. Die beiden haben hier ein Gästehaus eröffnet. An dessen Eingang weht standesgemäß neben der großen australischen Flagge auch eine kleinere, dänische Fahne.
Am nächsten Morgen beginnt es zu regnen. Nina freut sich, sind es doch die ersten Tropfen seit zwei Monaten. Der Regen wird heftiger, und schließlich kommt an den Cyathea-Falls mehr Wasser vom Himmel, als die Wasserfälle hinabfließt. Endlich mal Regen im Regenwald…
Der Blick auf die Wetterkarte verheißt auf unserer weiteren Reiseroute für die nächsten Tage nichts Gutes. Hinzu kommt, dass entlang der Strecke mehrere Buschbrände wüten. Kurzerhand beschließen wir, ins Outback abzudrehen und die Großstadt Sydney von hinten anzurollen. Nächste Station: Blue Mountains.

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