Wir sind zurück in Sunga Moyo. Über eine Woche verbrachten wir im vergangenen Jahr in dem Camp, direkt am Ufer des Malawisees. Howard, der Manager empfängt uns überschwänglich. Wir bekommen „unseren“ Stellplatz auf der schattigen Wiese direkt am Strand, und als wir auspacken befürchten wir schon, dass es bei den geplanten zwei, drei Tagen nicht bleiben wird.
Am Nachmittag kommt Regen auf. Es sind die ersten Tropfen, die wir seit Arusha sehen. Noch am Vormittag waren wir mit dem Paddelboot zur nahen Insel unterwegs. Bewaffnet mit Schnorchel und Brille tauchten wir in die faszinierende Unterwasserwelt des neuntgrößten Sees der Erde ein. Bunte Fische zogen vorüber. Ein besonders prächtiges Exemplar ernannten wir kurzerhand zum Leipzig-Fisch. Es ist ein leuchtend blaues Tier mit gelben Streifen an den Flossen.
Später bringt Tayo größere Fische. Es ist frischer Chambo, eine vorzügliche Delikatesse. Noch haben wir einige Mangos, die gerade vor unserer Nase vom Baum gefallen sind, aber zum Dinner könnten wir uns den Chambo gut vorstellen. Nachdem wir handelseinig geworden sind, greift Tayo kurzerhand zum Messer auf dem Tisch und beginnt die Tiere zu filetieren. Einem schmackhaften Abendessen steht nun nichts mehr im Wege.
Später setzt im Camp betriebsame Hektik ein. Die Angestellten sind stellenweise im Laufschritt unterwegs, ein Fakt, der in diesem Teil Afrikas höchsten Seltenheitswert genießt. Schnell ist der Grund gefunden: Die Chefin ist im Anmarsch. Stella hat medizinische Ausrüstung im Gepäck und eine überraschende Nachricht: Karl und Gabi, zwei Ärzte, die wir im vergangenem Jahr an gleicher Stelle trafen, praktizieren inzwischen im hiesigen Krankenhaus. Gern könnten wir mitkommen, wenn sie die mitgebrachten Gegenstände in die Klinik bringt. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Die Überraschung gelingt. Gabi kommt aus dem OP, stutzt kurz und erkennt uns wieder. Der Kaiserschnitt müsse noch vom Tisch, meint sie, dann könnten wir uns gemeinsam das Operation Theatre anschauen. Inzwischen vertreten wir uns die Beine im Außengelände. Karl wird uns später zur Vorsicht mahnen, da überall Kanülen, Skalpellteile und Glasscherben herumliegen. Eine Verletzung durch unser dünnes Schuhwerk könnte tödlich Folgen haben.
In den Patientenräumen von der Größe eines durchschnittlichen deutschen Wohnzimmers sind sechs bis acht Betten untergebracht. Etwa doppelt so viel Leute halten sich in den Räumen auf, da die Kranken von ihren Angehörigen gepflegt werden. Karl zeigt uns das „Skelett“ eines OP-Strahlers. Der steht, etwas lädiert, vor dem Haus. Vor Wochen hätte man den noch reparieren können, meint er. Als erstes fehlten jedoch die Glühbirnen, später war der ganze Transformator aus dem Gerät verschwunden. Seitdem ziert der Schrott den Eingangsbereich zur Klinik. Im Operationssaal steht ein modernes Gerät zur Versorgung von Frühgeborenen. Karl nennt es einen Weißen Elefanten, da die teure Maschine nicht benutzt werden kann. Die Medien, die man zum Betrieb des Gerätes benötigt, sind nicht verfügbar. In einem kürzlich gespendeten Kühlhaus für Medikamente zeigt das Thermometer 30 Grad an. Offenbar ist die Klimaanlage kaputt oder der Strom ist komplett ausgefallen. Für diesen Fall steht auf dem Gelände ein riesiger 100 KW-Generator, der jedoch noch nie in Betrieb war. Das Gerät ist schlicht und ergreifend nicht angeschlossen. Wäre der Stromerzeuger verkabelt, fehlt es an Sprit, erklärt uns Karl. Und wäre auch noch Sprit da, so wäre der innerhalb kürzester Zeit gestohlen worden…
Karl und Gabi gehen zurück ins Theatre. Sie arbeiten hier, ohne einen Cent dafür zu bekommen und wünschen sich, noch öfter als bisher bei kritischen Fällen um Rat gefragt zu werden. Das passiert leider noch viel zu selten.
Tief beeindruckt verlassen wir nach zwei Stunden die Klinik. Stella lädt uns und die Ärzte zum Abendessen nach Sunga Moyo ein. Während wir köstlichen Gulasch genießen, dreht sich die Diskussion um die Einheimischen, um Korruption und um Entwicklungshilfe, die Geburtsstätten von Weißen Elefanten.
Wir möchten uns an dieser Stelle nochmal herzlich für die Einblicke in Euren afrikanischen Alltag bedanken, lieber Karl, liebe Gabi und liebe Stella.