Rosa Shorts sind in, nicht nur bei Mädchen. Am Nachbartisch sitzt ein junger Mann und nippt vornehm an einem Bier. Um seinen Durst zu löschen, steht neben dem Bier ein Glas Wasser, dessen Inhalt sich schneller leert. Der Mann trägt rosa Shorts ebenso wie zahlreiche andere Damen und Herren jeden Alters hier. Wir sitzen im vornehmen Mount Nelson Hotel, und genießen den legendären Afternoon Tea. Im Fourier des Hauses und im Wintergarten werden täglich bei dezenter Klaviermusik erlesene Teesorten, leckerer Kuchen sowie geräucherte Forelle angeboten. Früher nannte man die Veranstaltung „Five o’clock tea“. Auf Grund der großen Nachfrage wird das edle Getränk nunmehr in zwei Durchgängen ausgeschenkt, sodass der ursprüngliche Name nicht mehr zu halten war. Es ist noch nicht ganz fünf Uhr, als wir aufstehen und durch die Long Street schlendern. Unser Auto steht sicher, im Nelson.
Einige Tage später geht es rustikaler zu: Gemütlich liegen wir im Gras der Cape Point-Vineyard, neben uns steht der Picknickkorb mit Schinken und edlen Käsesorten. Eine Flasche guten Weines aus der hauseigenen Kelterei vervollständigt das sonntägliche Lunchpaket. Die Sonne scheint kräftig, sodass wir die Lebensmittel bald in den Schatten rücken müssen. Zu unseren Füßen liegt die Kaphalbinsel, in der Ferne sind die Felsen des südwestlichsten Punktes von Afrika zu sehen. Rechts von uns hängen über der Spitze des Chapmans Peak noch ein paar Wolkenfetzen, die verschwinden jedoch bald. Den Berg wollen wir noch erklimmen, bevor uns die Reiseroute weiter nach Nordosten führt. Mit dem Fernglas suchen wir schon nach einem geeigneten Weg zum Gipfel…
Mitten in der Nacht stößt Jörg einen Schrei aus – Hilfe! Die Welt um ihn dreht sich immer schneller. Er versucht aufzustehen und sackt vor dem Bett zusammen. Gerade kann er noch seinen Kopf über dem Toilettenbecken platzieren. Später hilft Babsi Jörg wieder ins Bett. Die Augen kann er nicht öffnen – das Wohnmobil dreht sich mit rasanter Geschwindigkeit. Am Morgen darauf geht es nicht besser: Der Körper verweigert jede Nahrungsaufnahme und scheidet selbst dann noch aus, wo schon lange nichts mehr ist. Die Ursachen können vielfältig sein, meint eine junge Ärztin, die zufällig auf dem Campingplatz Urlaub macht. Das hilft uns nicht weiter. Jörg kann sich kaum bewegen, geschweige denn zu einem Arzt gefahren werden. Mit einigen Tabletten versuchen wir den Brechreiz zu unterdrücken. Vielleicht wieder eine Lebensmittelvergiftung? Gestern Abend gab es Pute.
Später versucht Babsi, einen Arzt zu organisieren. Die Klinik ist nicht weit und tags darauf wird Jörg gründlich untersucht. Herzinfarkt, ausgeschlossen, ebenso wie Lebensmittelvergiftung. Ein Tumor, recht unwahrscheinlich bei den Symptomen. Der Arzt tippt auf eine Entzündung des Gleichgewichtsorgans im Ohr. Jörg versteht nur Bahnhof, die englischen Begriffe für diese Krankheit sind uns nicht geläufig. Wie ein Zombie torkelt er auf dem Campingplatz zurück ins Bett. So bekommt er auch nicht mit, wie am Abend ein Landy mit österreichischem Kennzeichen neben uns sein Dachzelt ausfährt. Babsi kommt mit den Reisenden ins Gespräch, und am nächsten Morgen steht Hermine an Jörgs Bett. Sie ist Ärztin in Salzburg und kann ihm so ziemlich genau erklären, was der Doktor tags zuvor in Englisch gesagt hat. Jörg müsse nun Geduld haben, meint Hermine, die Genesung wird einige Zeit in Anspruch nehmen. Endstation Kapstadt? Wir hoffen es nicht!