Unvermittelt endet die Fernstraße an einem Tor. Der eiserne Vorhang markiert das Ende der Great North und somit die Grenze zwischen Sambia und Tansania. Langsam fahren wir auf das Gelände hinter dem Tor und schauen uns nach einem Parkplatz um. Vor dem Auto springen ein halbes Dutzend Männer herum und suchen mit uns gemeinsam einen Abstellplatz. Kaum ist der gefunden, reden alle durcheinander. Jörg lächelt die Herren etwas beiseite, damit er zum Zuhören und Aussteigen wenigstens die Wagentür öffnen kann. Nun sprudelt es aus den jungen Männern nur so heraus: Sie wollen unser Auto bewachen, Geld wechseln, uns durch den Behördendschungel führen und eine tansanische Autoversicherung verkaufen. Wenig später ist Jörgs Lächeln eingeschlafen, und wir kämpfen uns tapfer von der Immigrationsbehörde zum Zollpapier-Ausfüller und weiter zum Zollpapierstempler. Anschließend geht es zurück zum Ausreiseschalter, da man dort vergessen hatte, uns einen Gate-Pass auszuhändigen. Nun beginnt der Spießrutenlauf von vorn, um für diesen Schein die Stempel einzuholen. Auf Wiedersehen Sambia, dürfen wir uns nach einer knappen Stunde freuen.
Einer der Herren von vorhin bleibt uns auf den Fersen. Auf tansanischer Seite ist er sofort wieder zur Stelle und weist uns einen Parkplatz zwischen einigen LKW zu. Jörg stellt den Wagen direkt vor die Polizeiwache und gibt dem inzwischen ebenfalls anwesenden Aufpasser den Hinweis, dass er angesichts der Polizeipräsenz nichts tun muss. Bei den Einreiseformalitäten gibt es ein Novum: Eine gefühlte Ewigkeit verschwindet der Officer von der Immigrationsabteilung mit unseren Pässen, offensichtlich allerdings nur, um uns die 100 US-Dollar Eintrittsgeld zu bescheinigen. Noch länger dauert es, unser Zolldokument für das Auto abstempeln zu lassen. Schön nacheinander wird das abgearbeitet, was man getrost hätte parallel erledigen können. Säuberlich überträgt der freundliche Zollbeamte ein von uns ausgefülltes Formular in den Computer, um anschließend festzustellen, dass der Drucker nicht funktioniert…
Nach einer weiteren Stunde und dutzend Stempeln auf zig Formularen empfängt uns der Herr wieder, der schon lange auf seine Gelegenheit wartet. Geduldig führt er uns zur Polizei und überredet die Beamtin, doch gleich mal nach unserem Wagen zu schauen. Eigentlich wollte sie das erst tun, nachdem sie mit Fingernägel feilen fertig ist. Nun ist die Zeit des jungen Mannes gekommen, der uns seit Beginn des Grenzprozederes folgt. Er führt uns über einige Erdhaufen vorbei an einer vermeintlichen Müllhalde. Zwei Gräben weiter stehen wir vor einer Bretterbude, aus der uns eine schwarze Schönheit anlächelt. Im Hintergrund sitzen vier Männer, die nun emsig dabei sind, uns eine Fahrzeugversicherung über zu helfen. Was die im Schadensfall leistet, können uns die Herren nicht sagen, man braucht sie eben in Tansania, ebenso wie den Aufkleber für die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 80 km/h. Den Aufkleber brauchen wir nicht, trotzdem ziert er wenig später unsere Rückfront. Und wenn man in Tansania mal 80 fahren kann, hat man großes Glück, wie wir später feststellen.
Knapp drei Stunden, nachdem wir das erste Tor passiert hatten, dürfen wir die baugleiche Barriere auf tansanischer Seite verlassen. Vorher jedoch finden sich erneut ein halbes Dutzend Männer ein, die wiederum Geld haben möchten: Für‘s Aufpassen, für den zerknitterten Aufkleber, den wir nicht brauchen oder einfach nur für dummes Quatschen. Während Jörg in Sambia noch lächelte, lässt er nun einen Brüller los, um überhaupt ins Auto einsteigen zu können. Hoch lebe Schengen, denken wir, und rollen langsam vom Hof.
Wir fahren sehr verhalten. Etliche Reisende hatten uns vor der korrupten tansanischen Polizei und den allfälligen Geschwindigkeitskontrollen gewarnt. Schilder gibt es kaum, die Straße ist schlecht. Während uns die erste Polizeikontrolle passieren lässt, winkt uns der nächste Beamte an der Strecke heraus. Er präsentiert uns einen schmutzigen Zettel, worauf unsere Autonummer und die Geschwindigkeit von 74 km/h vermerkt ist. 50 seien erlaubt. Jörg will wissen, wo das gemessen wurde. Er ist die letzten Kilometer mehr 30 als 70 Stundenkilometer hinter einem LKW her gezuckelt. Acht Kilometer entfernt in einem kleinen Örtchen, meint der Polizist. Wir fragen nach Beweisen. Die können wir haben, erwidert der Herr in Uniform, in ein bis zwei Stunden wäre der Beamte hier und würde das Foto präsentieren…
Später werden wir von Harry aufgeklärt: Jedes Verkehrsvergehen in Tansania kosten 30.000 Schilling Buße, egal, ob man einige Stundenkilometer zu schnell war oder jemanden totgefahren hat. Nun sind das umgerechnet 12,50 Euro, zu wenig um zwei Stunden auf das Foto zu warten und sich weiter zu streiten. Wir treffen Harry in Mbeya. Er ist Deutscher, arbeitet im christlichen Karibuni-Center und hilft, die Bibel in die vielen tansanischen Stammessprachen zu übersetzen. Harry zeigt uns sein Projekt und stellt die Mitarbeiter der Gemeinde vor. Später gibt er uns bei einer Tasse Kaffee eine Grundeinweisung für Tansania – es kann nur besser werden!
In Mbeya bleiben wir zwei Tage. Die Vorräte aufgefüllt und mit guten Tipps im Gepäck, machen wir uns auf den Weg in Richtung Äquator. Als überaus nützlich erweist sich der Tempomat im Nissan, stellen wir ihn doch an jedem Schild exakt auf die angezeigte Geschwindigkeit. An den Kontrollen werden wir nun freundlich durchgewunken. Dafür wird die Straße zur Hölle. Fast zweihundert Kilometer Baustelle geben unseren Nerven und dem Fahrzeug den Rest. Mehr zufällig sieht Jörg beim Check im Motorraum einen Schraubenkopf zwischen den Riemen, der da noch nie war. Mit einiger Mühe gelingt es uns, die Halterung der Lichtmaschine wieder festzuziehen. Prophylaktisch kontrollieren wir alle Schraubverbindungen: Die Kabine ist locker, und auch einige Radbolzen haben sich gelöst. Es kann wirklich nur besser werden!