Vom See zum Tee

Die Quelle schmackhaften Seefischs

Ein Holzboot kommt mit hoher Geschwindigkeit auf unseren Katamaran zu und macht seitlich fest. Die vier Männer in Tarnuniform gestikulieren wild. Einer von ihnen springt auf unseren Segler und erklärt, dass wir pro Person zehn Dollar Eintritt für den Nationalpark am Cape Maclear entrichten müssten. Selbstverständlich bekommt Ihr die zwanzig Dollar, meint Jörg, aber im Moment kann man einem nackten Manne höchstens in die Badehose greifen. Und dort lagern mit Sicherheit keine zwanzig Dollar. Als wir später zurück zu Hause sind, übergeben wir das Geld. Zu dumm, meinten die Herrschaften, dass sie gerade keine Quittung dabeihätten. Die würden wir selbstverständlich sofort am nächsten Tag erhalten…
Auf den nächsten Tag warten wir noch heute. Selbst die Zusicherung der Geschäftsleitung unserer Lodge, den Beleg umgehend per Mail zu schicken, erweist sich als glatte Lüge. Einmal mehr ist hier Geld, das eigentlich für die Erhaltung der Natur gedacht ist, in dubiosen Kanälen verschwunden.

Überhaupt geht an Jörgs Geburtstag so einiges schief: Ein Cocktail am Nachmittag – sorry, der Barkeeper kann es nicht. Der Kollege, der das Mixen von Cocktails beherrscht, hat gerade frei.
Ein Fischgericht am Abend – Fehlanzeige, stattdessen wird dasselbe Menü wie am Vortag angeboten. Fisch gäbe es nicht, weil der Wind nur kleine Fische in die Gegend getrieben hätte. Ja, und wir ziehen uns die Unterhose mit dem Kran hoch, möchte man in diesem Moment den Gastronomen zu erklären. Selbst ein Gläschen Weißwein bleibt uns am Abend verwehrt, man hatte nur Roten im Gefrierschrank stehen. Wo der Weiße stand, wusste am nächsten Tag natürlich der Kollege, der auch Mixgetränke kann. Zur Ehrenrettung der Herrschaften muss man jedoch noch sagen, dass plötzlich ein großer Fisch auf dem Küchentisch lag… gerade, als wir mit der Zubereitung unseres Abendessens fertig waren.

Wir lassen den Malawisee hinter uns und sind unterwegs nach Süden. Wenig später stehen wir an einer Kreuzung und suchen den Campingplatz in der Nähe. Babsi hat inzwischen zwei Navis auf dem Schoß. Die Ansagen der blechernen Stimmen könnten unterschiedlicher nicht sein. Während der eine Computer uns nach rechts schickt, beharrt die Dame des anderen Gerätes vehement darauf, links abzubiegen. Wir ziehen die Karte zurate. Die ist jedoch so ungenau, dass beide Straßen nicht eingezeichnet sind. Den Platz finden wir erst im zweiten Anlauf. Glück im Unglück: Auf dem falschen Weg wirft uns ein Fischer noch zwei prächtige Chambo in den Kühlschrank.

Steve und Arnold

Frischen Fisch gibt es in Mulanje nicht mehr. Das Gebirgsmassiv liegt etwa 300 Kilometer vom See entfernt. Hier wollen wir Steve und Arnold treffen. Wir unterstützen die beiden jungen Männer seit gut einem Jahr bei ihrer Ausbildung. Außerdem werden wir einige Sachen übergeben, die unsere Freunde im Sommer für die Jungen und deren Familien mitgebracht hatten.
Am Nachmittag stehen Steve und Arnold vor uns. Fast hätten wir sie nicht erkannt. Sie sind eher da, als verabredet. Steve hat Kummer. Seine letzte Unterrichtsstunde ist ausgefallen, weil tags zuvor der Lehrer bei einem Busunfall ums Leben kam. Es war ein guter Lehrer. Außerdem hat Steve Probleme mit dem Direktor seiner Schule. Wenn er nicht bis zum nächsten Tag das Schulgeld bringt, wird er von der Einrichtung geworfen. Natürlich bekommt Steve das Schulgeld von uns. Wir fragen ihn, warum er an einer Privatschule lernt und jeden Tag einen gut einstündigen Schulweg zu Fuß auf sich nimmt, eine Strecke wohlbemerkt. Die staatlichen Schulen kosten kaum weniger meint Steve, und bleiben im Niveau doch ein ganzes Stück hinter den Privatschulen zurück. Ja, und der einstündige Weg führt einfach zur günstigsten Privatschule im Ort. Öffentliche Verkehrsmittel sind zu teuer und selbst ein klappriges Fahrrad kann sich Steve nicht leisten.

Da geht es Arnold ein wenig besser. Er hat die Schule mit Bravour abgeschlossen und möchte im Dezember ein Studium beginnen. Etwas Praktisches soll es sein, am liebsten würde er Kfz-Technik studieren. Es darf aber auch Haustechnik sein.
Während Steve am nächsten Tag seinen Schuldirektor ruhig stellt, hat Arnold Zeit für uns. Er weiß, dass wir gern wandern. Eine schöne Tour führt uns durch die Mulanje Mountains. Es sei wärmer heute als letztes Jahr, meint Arnold, deshalb müssen wir keinen so starken Anstieg bewältigen. Bei knapp 40 Grad reicht uns der vermeintlich flache Anstieg komplett. Arnold sieht uns an, dass wir lieber rasten würden, als weiter den Berg hinauf zu schleichen. Er führt uns durch schattigen Wald zur Bar einer kleinen Lodge. So ist es recht! Durch unendliche Teeplantagen schlängelt sich unser Weg weiter zu einer der zahlreichen Teefabriken in Mulanje. Es gäbe dort einen Werksverkauf, meint Arnold. Angestrengt lassen wir den Blick schweifen, wo der Laden wohl sei. Arnold führt uns zu einem winzigen Steinhäuschen, weckt den Verkäufer und trägt unser Anliegen vor. Später verschwinden in unserem Rucksack mehrere Packungen des leckeren Mulanje Tees. Der Verkäufer lässt sich nach dem Geschäft wieder fallen. Offenbar braucht er diese Woche nun nichts mehr zu tun.

Der Werksverkauf an der Teefabrik fällt kaum auf.

Der Abschied von Steve und Arnold fällt tränenreich aus. Sehr intensiv haben wir die letzten Tage miteinander verbracht und gegenseitig viel gelernt. Wir freuen uns darauf, die beiden bei ihrer Ausbildung weiter zu unterstützen.

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